Phenyl­ketonurie

Phenylketonurie (PKU) Die Phenylketonurie gilt mit einer jährlichen Erkrankungsrate von 1:7000 als die am häufigsten in Deutschland auftretendeautosomal rezessiv vererbte Erkrankung des Aminosäurestoffwechsels. Durch einen Aktivitätsmangel der hepatischen Phenylalanin-Hydroxylase(PAH)kommt es zu einer erhöhten Konzentration von Phenylalanin im Blut und in den Geweben. Die Phenylketonurie kann heute durch das Neugeborenenscreeningin den ersten Lebenstagen diagnostiziertwerden. Rechtzeitig diagnostizierteund konsequent behandelte Patienten haben eine normale geistige und körperliche Entwicklung. Nicht oder unzureichend behandelte Patienten entwickeln in den ersten Lebensjahren durch die Wirkung von Phenylalanin und seiner Abbauprodukte eine schwere Hirnschädigung mit geistiger und neurologischer Behinderung. Die vor der Ära des Neugeborenenscreenings geborenen Patienten (in Deutschland vor 1968) weisen in der Regel eine signifikante Behinderung auf.

Die Basis der Therapie besteht aus einer eiweißarmen Kost. Dies bedeutet die Zufuhr einer deutlich eiweißreduziertenErnährung mit zusätzlicher Verwendung eiweißreduzierter Grundnahrungsmittel (z. B. eiweißreduzierte Getreideprodukteund Teigwaren).Zur Deckung des Eiweißbedarfs wird ergänzend eine phenylalaninfreie Aminosäuremischung verabreicht. Die bei PKU verabreichten Aminosäuremischungen sind mit zusätzlichen Vitaminen und Spurenelementen versetztzur Verhinderung von Mangelzuständen bei langfristiger Verabreichung einer eiweißarmen Kost. Die Therapie wird unmittelbar nach Diagnosestellung begonnen und muss in der Regel lebenslang fortgesetzt werden.

Die Intensität der Therapie richtet sich nach dem Phenylalaninspiegel im Plasma, der bei den betroffenen Patienten regelmäßig kontrolliert werden muss. Im Kindesalter sollte das Phenylalanin im Plasma zwischen 2-6 mg/dl (120-360umol/l) liegen. Nach dem 12. Lebensjahr kann die Diät schrittweise unter Kontrolle des Phenylalaninspiegels gelockert werden. Zum Phenylalaninspiegel im Erwachsenenalter gibtesnach der aktuellen Studienlage keine einheitlichen Empfehlungen. In den deutschen Stoffwechselzentren wird bei Patienten mit Phenylketonurie ein Phenylalanin-Spiegelim Blut zwischen 15-20 mg/dl (900-1.200 umol/l) angestrebt. Die meisten Patienten müssen, um dieses Ziel zu erreichen, lebenslang eine eiweißreduzierte Diät einhalten. In der Regel liegt die zugeführte tägliche Menge von natürlichem Eiweißbei 10-12 g/Tag. So behandelte Patienten müssen zur Verhinderung von Mangelerscheinungen weiter eine phenylalaninfreie Aminosäuremischung einnehmen.

Neurologisch gesunde erwachsene Patienten mit primär ausreichend behandelter PKU, die den empfohlenen Zielbereich überschreiten, können akute neurologische Symptome (z. B. Gangstörungen, Lähmungen) oder neuropsychologische Symptome (Verhaltungsauffälligkeitenwie aggressives Verhalten, Depression) entwickeln. Die Symptome sind in der Regel reversibel, sofern sie rechtzeitig erkannt werden und der betroffene Patient wieder einer konsequenten Diät zugeführt wird.

Seit einigen Jahren ist in Deutschland die Therapie mit Tetrahydrobiopterin (Kuvan) zugelassen. Dieser Kofaktor der Phenylalaninhydroxylase ersetzt jedoch nicht die eiweißarme Diät. Er kann in ausgewählten Fällen eineTherapieoption sein, um die Eiweißtoleranz zu erhöhen. Für eine neue Enzymtherapie (Pegvaliase) wird derzeit die Zulassung erwartet.

Erhöhte Blutspiegel von neurologisch gesunden Frauen mit PKU während der Schwangerschaft (maternale PKU) können beim ungeborenen Kind ein Fehlbildungs-Syndrom bewirken. Die betroffenen Neugeborenen von Müttern mit PKU weisen oft Fehlbildungen von Schädel, Gesicht, Herz und Blutgefäßen sowie eine geistige Behinderung auf(sog. maternales PKU-Syndrom). Das maternale PKU-Syndrom kann vermieden werden durch eine strenge Stoffwechseleinstellung der Mutter, die idealerweise 3 Monate vor Beginn der Schwangerschaft erreicht werden sollte und bis zur Geburt in einem Bereich von 2-6mg/dl (120-360 umol/l) liegensollte. Dies bedeutet für die werdende Mutter eine strikte Einhaltung einer extrem eiweißarmen Kost (in den ersten Monaten der Schwangerschaft meist 3-4 g natürliches Eiweiß/Tag). Zusätzlich wird eine phenylalaninfreie synthetische Aminosäuremischung verabreicht, die an die spezifischen Bedürfnisse der Schwangeren in Bezug auf Eiweißgehalt, Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe angepasst ist. Die Stoffwechseleinstellung wird während der ganzen Schwangerschaft engmaschigüberwacht (2 Laborkontrollen/Woche) und die Therapie wird im Verlauf der Schwangerschaft ständig an die aktuelle Stoffwechseleinstellung und die sich ändernden Bedürfnisse in der Ernährung angepasst. Im Fall einer konstant guten Stoffwechseleinstellung haben die Kinder von Müttern mit PKU heute kein erhöhtes Risiko für eine Behinderung.

 

Literatur:

Mahan KC, Gandhi MA, Anand S. Pegvaliase: A novel treatment option for adults with phenylketonuria. Curr Med Res Opin. 2019; 35:647-651.

The complete European guidelines on phenylketonuria: diagnosis and treatment.Orphanet J Rare Dis.2017;162: 13023-017-0685-2.

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